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Heute geht es mit einer Märchenadaption weiter, die ebenfalls aus der Märchenspinnerei stammt.
„Zarin Saltan“ von Katherina Ushachov ist eine Adaption zu dem russischen Märchen vom Zaren Saltan, von seinem Sohn, dem berühmten, mächtigen Recken Fürst Gwidon Saltanowitsch, und von der wunderschönen Schwanenprinzessin von Alexander Sergejewitsch Puschkin.
Und darum geht es:
Ein begehrter Junggeselle Drei Konkurrentinnen Ein magisches Eichhörnchen Als die Slawistikstudentin Anna von ihren besten Freundinnen heimlich bei einer russischen Datingshow angemeldet wird, ahnt sie nicht, dass sie dort dem Kaviarzar Viktor begegnet. Ganz überraschend wählt er sie aus und Anna ist damit nur einen Schritt entfernt von einem Leben wie im Märchen. Doch Neid und Missgunst lassen den Traum bald zum Albtraum werden und sie braucht jede Hilfe, die sie bekommen kann. Selbst wenn diese magisch ist und die Helfer merkwürdig anmuten.
Für die meisten ist Puschkins Geschichte ein eher unbekanntes Märchen. Dachte ich auch, bevor ich die Märchenadaption gelesen habe. Doch während des Lesens sind mir Elemente aufgefallen, die ich einem mir doch bekannten Märchen zuordnen konnte. Es ist zwar schon lange her, doch an diese einprägsamen Bestandteile konnte ich mich erinnern.
Bild: Pixabay |
In dem Originalmärchen, das in Gedichtform geschrieben ist, geht es um drei Schwestern, die sich darüber unterhalten, was sie im Falle einer Heirat mit dem Zaren tun würden. Die erste würde ein Hochzeitsmahl für alle Menschen ausrichten, die zweite würde alle fein einkleiden, die dritte und jüngste aber sagt: "Ich gäb' dem Zaren nicht Geld und Gut, doch einen Sohn mit Kraft und Mut." Der Zar hört das Gespräch und heiratet die Jüngste. Die beiden anderen stellt er als Hofköchin und als Weberin an. Neidisch auf ihre jüngste Schwester fügen sich die beiden und kommen so an den Zarenhof. Einige Zeit später muss der Zar in den Krieg ziehen. Seine Frau teilt ihm in einem Brief mit, dass sie einen Sohn zur Welt gebracht hat. Der Antwortbrief des Zaren wird von den Schwestern und der Cousine abgefangen und dahingehend verändert, dass Frau und Sohn getötet, ertränkt werden sollen.
Doch die Zarin und der Sohn werden gerettet, der Sohn wird erwachsen und lernt eine wunderschöne verwunschene Zarentochter kennen. Zar Saltan erfährt nach Jahren endlich die Wahrheit über Gemahlin und Sohn und macht sich auf die Suche.
Katherina Ushachov ist es gelungen ihre Version des Märchens ins moderne Deutschland zu verlegen und den russischen Charakter dennoch zu erhalten.
Meine Rezi findet ihr hier.
Ich habe der Autorin ein paar Fragen gestellt. Liebe Katherina, ich danke dir recht herzlich dafür, dass du dich meinen Fragen gestellt hast.
„Zarin Saltan" ist Teil der Reihe Märchenspinnerei, jedes Märchen wurde von einer anderen Autorin geschrieben. Wie kam es dazu, dass du dich diesem Zusammenschluss angeschlossen hast?
Zum Teil hängt es damit zusammen, wie die Märchenspinnerei gegründet wurde. Alle Autorinnen haben sich zufällig in ein und demselben Schreibforum (dem „Tintenzirkel“, um genau zu sein) über ein konkretes Thema ausgetauscht: Nämlich darüber, ob man nicht mit Teamarbeit im Selfpublishing so viel mehr erreichen könnte, als zum damaligen Zeitpunkt (2016) möglich zu sein schien.
Einige von uns kannten Zusammenschlüsse wie die „Wortstürmer“ (eine Gruppe von Autorinnen, die gemeinsam auf Messen gehen und für einander werben), aber die Frage wurde laut, ob man nicht noch mehr machen könnte. Ein gemeinsames Thema. Ein gemeinsames Ziel.
Und ich, die ich immer gesagt habe „Ne, ich mache kein Selfpublishing, dafür bin ich zu inkompetent“ war dann einfach mal Gründungsmitglied bei dieser Truppe, ehe ich so recht wusste, wie mir geschah. Und als es dann hieß „Wir adaptieren Märchen“, war ich endgültig dabei – das wollte ich eigentlich immer mal machen.
Es ist also wie so ziemlich immer bei mir – ich bin unversehens reingerutscht.
„Zarin Saltan" beruht auf einem russischen Märchen. Weshalb hast du dich für dieses bei uns eher unbekannte Märchen entschieden?
Das war tatsächlich purer Zufall. Ich war zwar in der Gruppe und wir sollten uns langsam mal ein Märchen aussuchen, aber ich hatte keine Idee. Dann war ich zu krank, um meiner Arbeit nachzugehen und habe am Computer prokrastiniert.
Genauer gesagt: Ich habe das getan, was ich sonst NIE tue – auf Youtube Videos angeschaut. Und da meine Aufmerksamkeitsspanne bei Onlinevideos eher gering ist, ich wirklich krank war und man in solchen Momenten nostalgisch wird, habe ich mir russische Märchentrickfilme aus meiner Kindheit angeschaut.
Darunter dann auch die von „Zar Saltan“, oder auch, mit vollem Titel, „Märchen vom Zaren Saltan, von seinem Sohn, dem berühmten, mächtigen Recken Fürst Gwidon Saltanowitsch, und von der wunderschönen Schwanenprinzessin.“ Und während ich mir als Kind nichts dabei gedacht habe, haben sich mir als erwachsener Frau sämtliche Nackenhaare aufgestellt. Das einzige, was die Frau im gesamten Film sagt, ist
»Kam ein Zar, um mich zu frein,
schenkt ich ihm auf seinen Thron
einen rechten Heldensohn!«
Wundervoll. Das einzige, was die Frauenfigur, mit der alles beginnt, im ganzen Märchen sagt, ist „Ich will einem Mann ein Kind schenken“ und der Mann springt sofort in den Raum, heiratet sie am gleichen Abend und geht sofort daran, besagten Heldensohn zu zeugen. Sehr vorbildlich für heutige junge Mädchen. Nicht.
Da stand für mich einfach fest: Das muss ich ansprechen, das finde ich nicht in Ordnung.
Hast du einen persönlichen Bezug zu Russland oder russischen Märchen?
Ich wurde in Odessa, das liegt heutzutage in der Ukraine, geboren. Mir wurden als Kind zwar auch gelegentlich die Märchen der Brüder Grimm vorgelesen – ich hatte ein sehr dickes Märchenbuch mit Geschichten aus aller Welt – aber die meisten mir vorgelesenen Märchen waren natürlich aus dem russischsprachigen Raum. Ich hatte mal auf Facebook einige davon gezeigt, aber längst nicht alle (der Übersicht halber habe ich die Fotos inzwischen zu einem Album zusammengefasst, da müsste ich mal weitere Märchenbücher in meinem Besitz zeigen.
Wie kam die Idee zu „Zarin Saltan“?
Nun, nachdem ich mich genug geärgert habe, um zu wissen, was ich schreiben möchte, fing die Ideensuche erst an. Denn ich hatte zwar ein Märchen und ich wusste, was ich nicht in Ordnung fand und in meiner Adaption ändern konnte, aber das war von einer Romanidee noch weit entfernt.
Hier bin ich recht analytisch vorgegangen und habe geschaut: Was hat das Originalmärchen denn für Elemente und wie kann ich sie umsetzen? Welche davon will / kann ich überhaupt umsetzen? Dabei hatte ich noch zusätzlich Sekundärliteratur zur Hand, dazu gehört Wilhelm Schapps „In Geschichten verstrickt“, womit ich immer arbeite, wenn ich über verzerrte Wahrnehmung und Erinnerungen schreiben will und ein Buch zur Grundlage, das ich gerade nicht in der Wohnung finde, das mir aber noch mal Klarheit in Bezug auf einige Märchenmetaphern verschaffte. Mit anderen Worten: Ich bin sehr intensiv in die Materie eingestiegen, um zu verstehen, was das Ursprungsmärchen eigentlich wollte.
Daraus habe ich dann entwickelt, was ich eigentlich zeigen will und wie ich beides miteinander vereinbaren kann. Das war sehr intensiv.
Aber aus dem, was ich zeigen will, ergab sich dann die eine oder andere Notwendigkeit in der Handlung. Gewisse Dinge konnte ich nur so und so lösen, wenn das alles passen soll.
Du hast das Märchen nach Deutschland versetzt, aber den russischen Hintergrund beibehalten. Weshalb hast du dich für dieses Setting entschieden?
Das war eine bewusste Entscheidung. Ich gehöre – das ist mir sehr wichtig, herauszustellen – nicht dem gleichen Milieu an wie Anna. Meine Eltern sind keine Russlanddeutsche, wir sind auf einem anderen Weg eingewandert. Viele der Dinge, die ich anhand von Anna zeigen wollte, hatte ich dennoch auch in meiner Umgebung.
Als wir beispielsweise aus dem zweiten Flüchtlingsheim (das erste war nur provisorisch) in ein Mehrfamilienhaus gezogen sind, wohnten dort außer uns bereits zwei russischsprachige Familien. Das gab durchaus den Ausschlag bei der Wohnungssuche. Innerhalb von zwei Jahren lebte keine einzige deutsche Familie mehr in dem Haus, zwischendurch war es immer mal eine und die wurde als Fremdkörper empfunden. Mehr noch, als die bisweilen recht pittoresken Leute, die in unserem Haus wohnten, aber nicht der Rede wert waren, weil russischsprachig: Ein Sektenguru, eine Opernsängerin (die uns schon mal um fünf mit ihren auf dem Balkon geübten Tonleitern weckte), das ältere Ehepaar, dessen Kinder und Enkelinnen aus Kanada gelegentlich zu Besuch kamen und dann alles auf den Kopf stellten.
Wir haben gegen den Widerstand der Vermieterin eine Fernsehantenne am Haus angebracht, über die alle russisches Fernsehen empfangen konnten – und ich schaute mehrere Jahre lang fast nichts anderes, auch als ich zu Hause ausgezogen bin, um zu studieren.
Und als ich als Wahlpflichtfach ein Modul „Russistik“ an meiner Universität belegt habe, waren fast alle Muttersprachler*innen. Ich glaube, es gab eine Polin und einen Rumänen in einem der Kurse. Ansonsten konnten alle Russisch. Man drängt sich zusammen.
Ich wollte dieses Milieu zeigen, aber gleichzeitig Annas Geschichte erzählen – nicht meine. Daher gab es etliche Änderungen, um das Ganze entsprechend zu verfremden.
Beschreibe dein Buch mit 3 Sätzen.
„Zarin Saltan“ ist ein feministischer Liebesroman mit Millionär, der wirklich mal arbeiten muss. Ein Roman, bisweilen so absurd wie ein russisches Märchen. Unter einer Schicht aus Zuckerguss wartet ein extra saurer Drops.
Wie würde Anna dich mit 5 Adjektiven beschreiben?
- Gemein
- Erbarmungslos
- Bohrend
- Genauso verpeilt wie sie selbst
- Zynisch
Hast du eine Lieblingsstelle oder ein Lieblingszitat im Buch? Verrätst du es uns?
Ja, habe ich tatsächlich – es gibt eine Stelle, an der Anna von ihren Freundinnen gelöchert wird, wie denn nun die Hochzeitsnacht war. Diese Szene basiert lose auf einer realen Unterhaltung, die meine Großmutter mit der frischgebackenen Ehefrau ihres Bruders geführt hat.
Ich liebe Annas Reaktion und die Art, mit den aufdringlichen Fragen umzugehen.
Welches ist dein Lieblingsmärchen?
Das war für mich immer „Das Märchen von der toten Zarewna und den sieben Recken“ – vielleicht als „die tote Prinzessin“ bekannter. Es handelt sich um eine russische Variante von „Schneewittchen“, mit etlichen Abweichungen. Ich war schon als kleines Mädchen ein kleines Gruftinchen. Mordanschläge, gläserne Särge und schlafende Frauen? Her damit!
Was verbindest du persönlich mit Märchen?
Das ist ein Quell der Weisheit. Ironischerweise sind Kinder noch empfänglich dafür, während viele Erwachsene irgendwann verlernen, bei Märchen genau hinzuhören und es wortwörtlich nehmen (und dann die „Gewalt“ ablehnen). Ich nenne gerne ein Beispiel – in den Grimm’schen Fassungen von Schneewittchen wird die böse Königin zur Hochzeit eingeladen und soll sich in glühenden Schuhen zu Tode tanzen.
Viele Eltern lehnen ab, diese Stelle zu lesen, weil sie aus heutiger Sicht die Brutalität sehen und finden, dass ihr Kind nicht mit solchen rohen Geschichten aufwachsen soll.
Gemeint ist etwas anderes – die Hochzeit Schneewittchens nach dem langen Schlaf steht für das Heranreifen einer kindlichen Persönlichkeit (wie ein Samenkorn im Winter), die mit der Hochzeit symbolisch zur Erwachsenen heranreift. Die böse (Stief-)Mutter ist der zerstörerische Kern der Persönlichkeit Schneewittchens, der hier gespiegelt wird. Und beim Erwachsenenwerden verbrennt.
Kinder spüren das noch, ohne jemals Psychologie studiert zu haben. Aber irgendwann geht die Fähigkeit, das zu verstehen, verloren.
Ich habe, nachdem Märchen mir in der Kindheit viel bedeutet haben, mich sehr lange nicht mehr mit ihnen beschäftigt und erst einige Jahre vor dem Beginn der Arbeit mit der Märchenspinnerei langsam begonnen, zu ihnen zurückzufinden. Mich sehr viel mit Märchentheorie beschäftigt und erobere mir nun langsam die Dinge zurück, die ich als kleines Kind instinktiv verstanden habe.
Das wars für heute, morgen zeige ich euch ein weiteres Märchen der Autorin.
Hallo Christine!
AntwortenLöschenEin sehr interessantes Interview. Ich habe "Zarin Saltan" auch gelesen und finde es immer sehr spannend, Hintergrundinformationen zu einer Geschichte zu bekommen. Und Katherina Ushachov ist auch eine tolle Autorin. Habe erst ihr neustes Buch gelesen, das mir auch sehr gut gefallen hat.
Liebste Grüße
Myna
Ich danke dir liebe Myna.
AntwortenLöschenAuch ich finde es immer wieder spannend und interessant hinter die Kulissen zu schauen.
Allerdings kenne ich bisher keine anderen Bücher der Autorin, doch das wird sich bald ändern ;-)