Es ist ein eisiger Sonntagnachmittag, ich sitze im warmen Wintergarten am gedeckten Tisch und erwarte mit Spannung und Neugier meine ersten Gäste zur Teeparty. Ich bin etwas aufgeregt, denn die beiden kommen von weit her.
Auf einmal höre ich ein Hundebellen und gleichzeitig schießt ein großer schwarzer Hund um die Ecke des Hauses auf den Wintergarten zu. Er hat zwei Männer im Schlepptau, beide in einen Kaftan gehüllt.
Ich stehe auf, öffne die Glastür und gehe auf die beiden zu. Der Hund begrüßt mich zuerst. Einer der beiden wirkt etwas beängstigend auf mich, groß und von kräftiger Statur, lange schwarze Haare, aber das freundliche Lächeln lässt den ersten Eindruck schnell verfliegen.
Es sind Sajit und Furat aus dem Buch "Die Stadt der stillen Wasser" von Florian Clever. Sie kommen aus der Stadt Mesrée.
UzB (das bin ich ;-)): "Sajit, Furat, wie schön, dass ihr gekommen seid. Wie war eure Reise?"
Sajit: "Danke, gut. Die Karawane kam zügig voran, die Kamele waren fit und nur mäßig störrisch."
Furat brummt zustimmend.
Schwanzwedelnd und um Aufmerksamkeit heischend springt Hund Bira an mir hoch.
UZB: "Bira, meine Liebe, natürlich bist du auch herzlich Willkommen!", lachend streichele ich der Hündin über das schwarze Fell.
Sajit: "Hier ist etwas Süßgebäck mit Honig und Pistazien. Und die hier sind mit Dattel- und Feigenmus gefüllt, da sterb ich ja für. Und Atayef, gefüllte arabische Pfannkuchen."
Furat (stellt ein Säckchen auf den Tisch): "Etwas Karamellzucker. Schmeckt gut im Mokka oder mit frischem Minztee."
UzB: "Vielen Dank! Das sieht toll aus."
Wir setzen uns an den gedeckten Teetisch.
UzB: "Erzählt mir etwas von eurer Heimat."
Sajit: "Mesrée ist eine prächtige Stadt am Rand einer Wüste, in einem Flussdelta. Neun bis zehn Monate lang versorgt uns der Bahir zuverlässig mit Wasser. Ein Großteil des Handels wird über ihn abgewickelt, mehr als mit den Karawanen über den Landweg. Nur während der Trockenzeit, da gibt es meistens ein paar Wochen, wo er nicht mehr schiffbar ist. Da sind wir dann wieder allein auf Kamele und Pferdekarren angewiesen. Und natürlich auf den eigenen Ackerbau. Das Delta ist eine fruchtbare Region, die letzte große 'Oase' vor der Wüste."
Furat: "Es ist eine gesegnete Region. Dürre und Monsun wechseln sich ab. Je nach Jahr leben wir ein Viertel bis ein Drittel des Jahres in extremen Bedingungen: erst furztrocken, dann ist alles eine einzige Pampe. Manchmal nehmen Dürre und Regenzeit zusammen auch das halbe Jahr in Anspruch. Aber wir mögen's so. Da wird's nie langweilig. Und jede Periode hat ihren Reiz, wenigstens für mich. Und wer lange die Fülle beim Wasser entbehren musste, der weiß es wieder richtig zu schätzen, wenn es dann endlich regnet. Umgekehrt freuste dich nach dem Monsun über den ersten klaren, sonnigen und vor allem trockenen Tag. Unsere extremen Wetterlagen sind, wenn du so willst, eine Schule in Achtsamkeit."
Furat: "Eines Tages während dieser extremen Dürre, da stand plötzlich dieser Schnösel oben bei mir im Leuchtturm. Ich bin ja Leuchtturmwärter im Hafen. Sagte, der Stadtrat hätte ihn geschickt wegen der Wasserversorgung. Das war ungewöhnlich, normalerweise interessiert sich der Rat nicht groß für die Leute im Hafenviertel. Und dieser Schnösel war auch ungewöhnlich. So schnöselig war der dann nämlich gar nicht."
Sajit: "Ich war zu dem Zeitpunkt ja Schreiber im Stadtrat. Der Rat wollte, dass ich die Versorgungssituation im Hafenviertel überprüfe. Die Wasserversorgung. Die Dürre war hart, und der Bahir, große Strom, an dem unsere Stadt liegt, war vollständig ausgetrocknet. Bis dahin war ich selten im Hafen gewesen, hatte kaum Berührung mit den Bewohnern dort. Das Viertel hat keinen besonders guten Ruf. Dann hab ich Furat kennengelernt, der so etwas wie der Kümmerer im Hafen ist, der erste Ansprechpartner dort für Ratsangelegenheiten. Ich hab gelernt, dass die Leute im Hafen zwar arm sind, aber der Zusammenhalt unter ihnen groß ist. Dass sie zusammenhalten, gerade auch in der Krise. Das kann man bei Weitem nicht von allen Bürgern unserer Stadt behaupten."
Furat (fummelt ein Stück Trockenfleisch aus der Tasche und gibt es seiner Hündin): "Die Stadt erstreckt sich weit gen Osten, dominiert von der berühmten goldenen Kuppel des Ratspalastes. Auch die Kasernen stechen heraus, der Zentralspeicher am Ende des Aquädukts und auch die Gärten der Heilung. Und natürlich der Bazar, die mit Abstand größte unbebaute Fläche innerhalb der Stadtmauern. Ich bin der Einzige im Hafen, der hoch genug steht, um über die Mauer hinweg zu schauen. Der Hafen liegt jenseits der Stadtmauer, am östlichen Flussufer. Wenn sie uns die Stadtwache für eine Razzia durch das Nordtor schicken, sehe ich das meist zuerst. Dann warne ich diejenigen im Hafen, die, sagen wir: etwas zu verbergen haben."
UzB: "Sajit, du arbeitest als Schreiber im Stadtrat. Erzähl mir von deinem Job. Füllt er dich aus?"
Sajit: "In jüngerer Vergangenheit habe ich mich beruflich verändert. Aber ja, ich war viele Jahre Ratsschreiber. Ich hab das gerne gemacht, auch, wenn ich denke, ein Schreiber, der die Ratssitzungen protokolliert, würde genügen. Die Ratsherren fühlen sich halt gerne wichtig, und wenn zwei Federn übers Papier kratzen statt nur einer, sieht das wichtiger aus. Als Schreiber hab ich auch nicht nur im hohen Saal gesessen. Zwischendurch war ich auch immer auf Außeneinsätzen, z. B. auf den Feldern die Fortschritte beim Ackerbau überprüfen und festhalten. Der Rat weiß immer gerne Bescheid, wie die Ernten vermutlich ausfallen werden. Oder die Pegel des Wassers in den Zisternen protokollieren, vor allem während der Trockenzeit."
UzB: "Im Stadtrat bekommst du doch bestimmt so einiges mit, was andere nicht wissen dürfen, oder? Willst du ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, wir sind ja hier unter uns?"
Sajit: "Zu meiner Zeit als Schreiber hatte der Rat für mein Empfinden den Kontakt zu den Bürgern Mesrées verloren. Die Anliegen der Leute, ihre Nöte und Sorgen, waren für mein Gefühl oft nur vordergründig Thema. Dahinter gab es ein ständiges Gezerre um Macht, Geld und Einfluss. Politik eben. Politik, wie sie nicht sein sollte. Die Volksstimme war schwach geworden im hohen Saal. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen."
UzB: "Was sind eure Wünsche und Ängste für euch selbst und die Bewohner von Mereée?"
Furat: "Ich würde mir wünschen, dass der Hafen gleichberechtigt behandelt wird. Er ist vielleicht nicht das sauberste Viertel der Stadt, doch über drei Viertel des Jahres wickeln wir das Gros des Handels dort ab. Löschen die Schiffsladungen. Schaffen den ganzen Kram hinter die Stadtmauern. Der Bazar und die Geschäfte florieren – auch wegen uns. Wenn der Fluss dann während der Trockenzeit einige Wochen lang nicht mehr schiffbar ist, werden wir dem Rat schnell lästig. Wir bringen ihm dann nichts mehr ein. Sie versorgen uns dann nicht mal mehr mit dem Nötigsten: mit Wasser."
Sajit: "Privat wünsche ich mir nur ein friedliches Leben mit Misha, meiner Frau. Und für Mesrée ... Es ist eine wunderbare Stadt. Es sind wunderbare Menschen hier. Manchmal vergessen sie vielleicht, worauf es vor allem ankommt: Zusammenhalt. Miteinander. Die Dürre ist da jedes Mal wieder eine Prüfung. Wenn alles knapp wird, neigen die Leute eben dazu, nur noch an sich selbst zu denken, die Ellenbogen auszufahren. Das ist irgendwo menschlich, doch wenn wir hier im Delta überleben und weiter gedeihen wollen, müssen wir Hand in Hand arbeiten. Wie die ersten Siedler, die Nomaden, die hier sesshaft wurden. Die konnten sich einfach keinen Egoismus leisten, wenn ein Karren im Dreck steckte, haben alle mit angepackt. Beim nächsten Mal könnte es ja schließlich der eigene Karren sein ..."
Furat: "Er ist loyal, ehrlich, offen. Dabei klug und umsichtig. Und er hat die seltene Gabe, sich von Macht nicht korrumpieren zu lassen."
UzB: "Sajit, welche Eigenschaften nervend ich an Furat?"
Sajit (überlegt länger): "Wenn er seinen philosophischen Tag hat, kann man mit ihm einfach nicht vernünftig reden. Dann kannst du die profansten Dinge anschneiden, er wird dir immer mit einem Gleichnis antworten."
UzB: "Ist eure Geschichte mit "Die Stadt der stillen Wasser" beendet oder werden wir noch mehr von euch lesen können?"
Furat: "Irgendein Mist passiert doch immer in dieser Stadt. Im Augenblick läuft alles friedlich und rund. Aber schon morgen kann der Wasserschlauch ja schon wieder tropfen, wie wir hier so sagen."
Sajit: "Persönlich wäre mir am liebsten, die Geschichte wäre zu Ende. Dann hätten Misha und ich unsere Ruhe. Über friedliche Zeiten schreibt ja keiner. Doch ich traue dem Autor da nicht so recht über den Weg. Er scheint ganz versessen auf Konflikte zu sein. Und ich glaube, er hat sich sehr wohl gefühlt bei uns in Mesrée. Der kommt sicher noch mal wieder und stiftet Unfrieden."
Ein schöner und interessanter Nachmittag geht zu Ende. Seid ihr schon gespannt, wer mich als nächstes zum Tee besucht?
Zum Schluss habe ich noch das Rezept von Atayef für euch:
Zutaten (für 16 Stück)
Für den Pudding:
600 ml Milch
200 g Sahne
70 g Zucker
60 g Speisestärke
1 TL Rosenwasser
Bild: GU - Wolfgang Schardt |
600 ml Milch
150 g Mehl
150 g Weichweizengrieß
½ TL Trockenhefe
Salz
Für den Sirup:
150 g Zucker
2 EL Zitronensaft
1 TL Rosenwasser
Außerdem
100 g Pistazienkerne
Zubereitung:
- Milch, Sahne, Zucker, Stärke und Rosenwasser in einem Topf glatt verrühren. Unter Rühren aufkochen und kurz köcheln lassen, bis die Masse cremig ist. In eine Schüssel füllen, Frischhaltefolie direkt auf die Oberfläche legen und ganz auskühlen lassen. Dann noch ca. 30 Min. kühlen.
- Inzwischen Milch lauwarm erhitzen. Mehl, Grieß, Hefe und 1 Prise Salz in einer Schüssel mischen. Die Milch zugießen und alles zu einem glatten Teig verrühren. Zugedeckt bei Raumtemperatur ca. 1 Std. gehen lassen.
- Zucker und 200 ml Wasser aufkochen und offen kurz köcheln lassen. Zitronensaft zugeben und ca. 5 Min. weiterköcheln lassen. Rosenwasser einrühren, abkühlen lassen.
- Den Teig kräftig durchrühren. Eine beschichtete Pfanne ohne Fett erhitzen, ½ Kelle Teig hineingeben und zu einem Kreis (11 cm Ø) verlaufen lassen. Von einer Seite backen, bis die Unterseite goldbraun ist. Aus der Pfanne nehmen, mit einem Geschirrtuch zudecken und abkühlen lassen. So insgesamt 16 Pfannkuchen backen.
- Pistazien im Blitzhacker mahlen und auf einen Teller geben. Je 2 gehäufte EL Pudding mittig in einem Streifen auf die ungebackene Seite der Pfannkuchen geben. Die Pfannkuchen über einer Hälfte zusammenfassen und die Ränder fest zu Tütchen zusammendrücken. Die Tütchen dann mit der offenen Seite in die Pistazien drücken, sodass der Pudding geglättet und mit Pistazien überzogen ist. Die Atayef kreisförmig auf einer Servierplatte anrichten und mit dem Sirup beträufeln.
(Rezept von GU)
Einen schönen Sonntag
Eure Christine
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